Expertenkrise

Offenbar hat sich Vladimir Putin bei seiner Einstufung der Risiken des Einmarschs in die Ukraine grob verschätzt. Das wird jetzt allgemein seinem autoritären Regime zugeschriben, in dem Kritik das rasche Karriereende bedeuten kann. Oder schlimmeres.

Aber auch im Westen haben zumindest die öffentlich zugänglichen Medien die Einschätzung geteilt, dass der Fall der Ukraine nach maximal 72 Stunden erfolgen würde. Überhaupt meinten viele Experten, es würde keinen großangelegten Angriff der russischen Armee geben.

All die teuren westlichen Geheimdienste mit all ihrer Elektronik standen schon etwas hilflos da, als Kabul im Handstreich von den Taliban eingenommen wurde. Wie die renommierten US-Demographen, als der erwartete Sieg Hillary Clintons ausfiel.

Es scheint weiterhin unheimlich schwierig zu sein, den Zustand großer komplexer Systeme (Staaten und deren Subsysteme) das Verhalten großer Bevölkerungsgruppen halbwegs treffend zu analysieren und dann daraus die richtigen Vorhersagen abzuleiten.

In so großen Systemen gibt es natürlich immer Akteur:innen, die ein Interesse haben, bestimmte Informationen zu unterdrücken, weil sie sich Vorteile von solchem Insiderwissen versprechen oder weil deren Bekanntwerden ihnen schaden würde. Ganz abgesehen von Propaganda und Fehlinformationen.

Sich durch diesen Wust zu kämpfen und die guten Informationen von den schlechten zu trennen ist aber ja das, was man sich von Expert:innen wünscht. Dabei ersichtliche Defizite werden inzwischen auch thematisiert.

Aber bis wir hier Fortschritte sehen, bekommen wir unsere Analysen und Vorhersagen weiterhin aus den Quellen, die gestern noch deftig daneben gelegen haben.

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Exponentialfunktion

Sollten sich die Meldungen bewahrheiten, dass die Inzidenzen der Omikron-Variante von COVID-19 sich alle zwei bis drei Tage verdoppeln, dann werden wir vielleicht wenigstens dieses olle Schulbuchbeispiel mit dem Schachbrett und den Reiskörnern los.

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Annegret K.-K. und die 70 YouTuber

Da sich konservative Kreise gerade so über die Einflussnahme von Herrn Rezo auf die Europawahl aufregen, fallen mir natürlich Geschichten aus meiner Jugend ein. Damals™ gab es zu jeder Bundestagswahl einen Hirtenbrief der katholischen Bischofskonferenz, der landauf, landab von den Kanzeln verlesen wurde. Und in dem den Gläubigen stets recht nachdrücklich die Wahl einer Partei mit dem christlichen ‚C‘ im Namen ans Herz gelegt wurde.

Darüber haben sich natürlich viele empört, aber ich entsinne mich nicht, dass auch CDU-Würdenträger Anstoß an dieser Praxis genommen hätten.

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Clever, Brits!

Bei manchen Sachen stellen sie es dann doch wieder ziemlich gerissen an, die Briten. Erst den Oligarchen und Diktatorentöchtern aus aller Welt suggerieren „hier, Londoner Immobilien, eins A Anlage, wertbeständig, krisensicher, drumrum Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, trotzdem nicht allzuviele kritische Fragen. Und wems nicht reicht, der kann auch noch in einen örtlichen Fußballclub investieren und sich dafür Samstags im Stadion bejubeln lassen.“

Dann, wenige Jahre später, wenn qua Brexit das Interesse an Londoner Luxusliegenschaften zu erlahmen beginnt, plötzlich voller Entsetzten feststellen „huch, alles Schwarzgeld!“ Und flugs die Sahnestückchen konfiszieren, um sie bei Gelegenheit wieder unter der lokalen Gentry zu versteigern, bei der es immerhin ein paar Generationen her ist, dass das Geld mit Kolonialwaren- und Sklavenhandel erwirtschaftet wurde. Respekt.

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Keine Sorge

Wieso kann eigentlich derjenige, der diesen Anhänger so präzise platziert hat, ganz beruhigt sein, dass der nicht abgeschleppt wird, und ihm so ordentlich Kosten, einen halben Tag Ämternerverei und obendrein Ärger mit dem Chef beschert?

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Land der Ideen

Ich bin ja nun vor einigen Monaten samt Kind aus der privaten wieder in die gesetzliche Krankenversicherung gewechselt. Also aus dem Land des „ich erhalte Arztrechnungen per Post (in zweifacher Ausführung), scanne sie mit dem Telefon für meine Krankenversicherung ein und bekomme dann Wochen später einen Bescheid auf Papier, was erstattet wird und was nicht (und manchmal auch warum)“ nach „nicht vergessen, sich einmal pro Quartal bei der Kinderärztin in die Schlange zu stellen, um die nötigen Überweisungsscheine einzusammeln.“

Ich möchte nicht wissen, wieviele Stunden Arbeits- und Freizeit aktuell in Deutschland für diese archaischen Symbolhandlungen aufgewendet werden. Das Übelste ist allerdings, in welche Richtung das skaliert: Wenn man gesund und fit ist, sind es nervige Kleinigkeiten. Je älter und hinfälliger man ist, umso mehr Verwaltungskram hat man am Hals.

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Nachdenken über Geld

Mindestens ebenso faszinierend wie die Explosion der Umtauschkurse von Bitcoin und anderen Cryptowährungen finde ich die dadurch angestoßene Diskussion über die Konzepte Geld, Wert und Investition.

Sicherlich ist stets äußerste Vorsicht angebracht, wenn ein Wirschaftsgut seinen Wert im Laufe eines Jahres verzehnfacht. Solche Warnungen hat es ja nun reichlich gegeben und ich finde, dass viele der dabei vorgebrachten Argumente am Kern der Sache vorbei gehen.

Richtig ist, dass man mit Bitcoins – hier stellvertretend für alle Cryptowährungen – quasi nichts besitzt. Also man besitzt den kryptographischen Schlüssel zu ein paar Einträgen in einer über viele Rechner im Internet verteilten Datenbank. Ihren Wert erhalten Bitcoins nur dadurch, dass andere Menschen bereit sind, Dinge dafür einzutauschen. Z.B. ein paar andere Einträge in der Datenbank eines Geldinstituts oder einige aufwändig bedruckte Blätter Papier. Oder ein paar Klümpchen Edelmetall oder Crystal Meth.

Ich will das hier jetzt gar nicht episch auswalzen. Aber der allergrößte Teil dessen, was die Cryptoenthusiasten als Fiat Money bezeichnen, Währungen wie Euros und Dollars also, existiert auch nur in Form von Einträgen in Datenbanken. Nur dass diese eben Notenbanken und Geldinstituten gehören.

Traditionelle Währungen haben aber den enormen psychologischen Vorteil, dass sie auch in klingender Münze daher kommen und insofern jeder Normalbürger einen Bezug zwischen den Eurostücken im Portemonnaie und den Ziffern auf seinem Kontoauszug herstellen kann. Während die Ökonomen durchaus Probleme haben, sich auch nur auf Schätzmethoden zur Bestimmung der aktuellen Geldmenge zu einigen, glaubt vermutlich wirklich ein Teil der Bevölkerung, Finanzpolitik werde mit der Notenpresse gemacht. So wie ja auch das Bild der schwäbischen Hausfrau allen Ernstes als Vorbild für Fiananzminister angeführt wird.

Unter anderem aus diesen biederen Vorstellungen resultiert Vertrauen in die Stabilität einer Währung. So wie wir eben auch von Kindesbeinen an gelernt haben das Gewicht von Gold und Silber und das Funkeln von Edelsteinen mit Wert zu assoziieren. Tatsächlich aber nützen einem diese Eigenschaften in einer Notlage, z.B. bei einer Energiekrise oder einer Hungersnot, wenig. Es sind allein die Beständigkeit von Edelmetallen und -steinen gegenüber Korrosion und Zerfall sowie das Vertrauen, dass sie in besseren Zeiten wieder viel wert sein werden, welche sie zur Rücklage für Notfälle machen.

Und nur auf Basis dieses Vertrauens funktioniert eine Währung. Wenn es schwindet, kann keine Regierung, keine Einlagensicherung und kein Goldstandard sie vor einem Bank Run bewahren. Das wird einem ja auch in schöner Regelmäßigkeit vor Augen geführt.

Ganz ähnlich verhält es sich mit Aktien. Apple ist an der Börse ca. 600 Milliarden Dollar wert, immer noch mehr als alle Cryptowährungen zusammen. Und der Status als vermutlich wertvollste Privatfirma wird dadurch eindrucksvoll untermauert, dass man in der westlichen Welt nur vor die Tür zu treten braucht, um irgendwo jemanden mit einem Apple-Produkt hantieren zu sehen.

Dennoch würde der Kurs rasant einbrechen, wenn nur jede zwanzigste Apple-Aktie am selben Tag verkauft würde. Es gibt auch hier keinen Weg, dass alle Anteilseigner kurzfristig den aktuellen Wert ihrer Aktien in Fiat Money erhalten. Nur der Glaube, dass man sie auch morgen noch zum selben oder sogar einem höheren Wert verkaufen kann, erhält den Wert der Aktien.

Betrachtet man hingegen die Firmenpleiten moderner Aktiengesellschaften, so erkennt man, dass der anteilige Besitz an Markenrechten, Patenten, Immobilien, usw. dem Aktionär im Ernstfall wenig bringt. CargoLifter, Hypo Real Estate und Air Berlin seien als Beispiele genannt.

Und so glaube ich, dass viele Anleger nach den Staatspleiten und Bankenkrisen der vergangenen Jahre neben weltweiter Verfügbarkeit und Handelbarkeit gerade das Versprechen „kein Management, keine Regierung“ der Cryptowährungen als deutlichen Vorzug sehen – nicht nur in Ländern wie Zimbabwe oder Venezuela, wo das vielleicht besonders begründet ist.

Und auch wenn das Bitcoin-Mining eine gigantsche Energieverschwendung darstellt, so zählen Cryptowährungen und die Spekulation mit ihnen vielleicht einfach zu den Dingen, die eine gewisse Menge Menschen haben möchte. So wie auch viele Leute auch in Dreitonnen-SUVs aus der Vorstadt ins Büro pendeln wollen oder übers Wochenende zum Zocken nach Las Vegas fliegen. Oder Alkohol konsumieren oder Schusswaffen besitzen. Lauter Dinge, die ökologisch oder gesellschaflich fragwürdig sind und über deren Sinn sich folglich streiten lässt. Und die in verschiedenen Ländern unterschiedlich stark reguliert, manchmal sogar verboten sind, andernorts hingegen staatlich gefördert werden.

Ich vermute, auf dieser Ebene wird sich auch die Zukunft von Cryptowährungen entscheiden. Der Umfang des tatsächlichen Bedarfs ist unklar. Cryptowährungen werden wohl nie wieder ganz verschwinden, aber möglicherweise werden sie soweit sanktioniert und marginalisiert, dass ihnen nur eine Nischen- oder Untergrundexistenz bleibt.

 

 

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Bedingt solidarisch

Der Berliner Bürgermeister Michael Müller hat sich für ein „solidarisches Grundeinkommen“ ausgesprochen. Es gibt ja durchaus Argumente gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen, aber von dort zu starten und mit einem einzigen engen Schwung wieder beim Ein-Euro-Job anzukommen, schafft nur die alte Tante SPD. Vielleicht wäre es doch besser, ab und an eine Vision zu haben, als die ganze Zeit beim Arzt zu sitzen.

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Ein mächtiger Strom

Die Kulturflatrate wird kommen und ihr Name wird sein Amazon Prime.

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Inflation

Inflation entsteht bei Cryptowährungen offensichtlich nicht durch Vermehrung der Geldmenge innerhalb einer Währung sondern durch das ständige Aufkommen neuer Währungen.

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